Individualismus und Kollektivismus

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Die Individualismus/Kollektivismus Dimension Hofstedes ist wohl eine der am meisten angewendeten und besprochenen Dimensionen.

Diese Dimension beschäftigt sich vor allem mit der Prioritätensetzung innerhalb der Gesellschaft auf das Individuum oder auf die Gruppe. In einer individualistisch ausgeprägten Gesellschaft steht das Individuum im Vordergrund: Es ist wichtig "seinen Weg zu gehen", "gegen den Strom zu schwimmen". Nicht umsonst proklamierte der Amerikaner (die USA sind die individualistischst orientierte Kultur) Frank Sinatra "I did it my way!". Die Chinesen kontern mit dem Sprichwort "Der Nagel der herausragt wird in das Brett gehämmert" - denn in dieser kollektivistisch ausgeprägten Gesellschaft steht die Gruppe als Gesamtheit im Vordergrund, und ist wichtiger als die Selbstverwirklichung der Gruppenmitglieder.

Diese Dimension ist wegen ihrer Allgegenwart - und Offensichtlichkeit- eine der beliebtesten Dimensionen, und eine der Dimensionen die wohl am besten Erforscht ist. Ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben sind vielseitig. Ein konkretes Beispiel für diese Dimension ist zum Beispiel das Versagen von gewissen Bonusprogrammen in asiatischen Ländern. Bonusprogramme, die ein Individuum z.B. finanziell für Ihre Leistung belohnen, sind grundsätzlich individualistisch in ihrer kulturellen Prägung, und sie sind in eher individualistischen Gesellschaften auch durchaus erfolgreich. In kollektivistischen Gesellschaften können diese Bonusprogramme sogar kontraproduktiv wirken. Die Erklärung dafür ist relativ simple: In einer kollektivistischen Gesellschaft will kein Gruppenmitglied als besonders herausgestellt werden, da die Gruppe Vorrang hat. Dementsprechend fanden u.a. amerikanische Unternehmen heraus, daß sich die Produktivität von Gruppen verringerte wenn man ein individuell ausgerichtetes Bonusprogramm einsetzte. Die Gruppenmitglieder orientierten sich an dem schwŠchsten Glied ihrer Gruppe, und versuchten dieses nicht zu übertreffen. Erst als man das Bonusprogramm so umstellte, daß es die gesamte Gruppe belohnte wurde die Produktivität gesteigert. In individualistisch geprägten Gesellschaften funktionierte diese Art von Bonusprogrammen allerdings nicht, dort senkten Gruppenprogramme die Produktivität.

Dabei ist z.B. auch Demokratie und freie Marktwirtschaft- zumindest in ihrer amerikanischen Interpretation- ebenso ein auf Individualismus basierte politisch-ökonomische Ideologie. Dementsprechend läßt sich auch erklären warum meistens in kollektivistischen Ländern eher "unfreie" Marktwirtschaft herrscht, und ebenso kollektivistische Länder eher undemokratische Regierungsformen haben, bzw. hatten.

Als Beispiel ließe sich hier auch der Kommunismus anbringen: Bis heute sind kommunistische Parteien z.B. in Europa in den überwiegend kollektivistischen Ländern Italien, Spanien und Griechenland relativ bedeutend - ganz im Gegensatz zu den individualistischen Ländern wie Großbritannien, Kanada und den USA.

Aber auch in der kleineren Gruppe, z.B. der Familie zeigt sich Individualismus, bzw. Kollektivismus. So erziehen Eltern in individualistischen Ländern ihre Kinder überwiegend zur Selbstständigkeit - wie z.B. in Großbritannien und den USA, wo es die Regel ist, daß die Kinder spätestens bei Studienbeginn von zuhause ausziehen. In Spanien oder Italien ist dies nicht die Regel - viele junge Erwachsene leben auch weiterhin, oft bis zur Heirat, bei ihren Eltern. Überhaupt spielt die "erweiterte" Familie in kollektivistisch ausgeprägten Gesellschaften eine sehr viel wichtigere Rolle als in den individualistisch-orientierten Gesellschaften. Die "Großfamilie" ist sowohl in den USA, in Großbritannien als auch in den Niederlanden eher selten.

 

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Übersetzt aus dem Englischen, z.t. gekürzt. Originalfassung:
Dahl, Stephan (2000)
"Introduction to Intercultural Communication", in Dahl, Stephan "Intercultural Skills for Business", ECE, London.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

 

 

 


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